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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 28.03.2000
Aktenzeichen: 27 U 170/99
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 |
Das Vortäuschen eines Pkw-Aufbruches durch "Schloßstechen" kann ein Indiz für einen Versicherungsbetrug sein, wenn ein so "entwendeter" in Wirklichkeit mit dem passenden Schlüssel bedienter Pkw unter auch sonst auffälligen Umständen nach Art des sog. Berliner Modells in einen Unfall mit einem am Fahrbahnrand zum Parken abgestellten Pkw (älterer Jaguar) verwickelt wird.
OBERLANDESGERICHT HAMM
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
27 U 170/99 OLG Hamm 15 O 109/98 LG Dortmund
Verkündet am 28. März 2000
Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts
In dem Rechtsstreit
hat der 27. Zivilsenat auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2000 durch die Richter am Oberlandesgericht und
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 30. September 1999 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert den Kläger nicht mit mehr als 60.000,00 DM.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Ersatz seines Fahrzeugschadens aus der Beschädigung seines Pkw Jaguar (Erstzulassung 03.11.1988; Laufleistung 148.574 km) aus einem angeblichen Verkehrsunfall vom 20.05.1998 gegen 2.35 Uhr innerorts von D auf der Straße bei dem der bei dem Erstbeklagten haftpflichtversicherte Pkw VW Passat/92 des Beklagten zu 2) mit seiner rechten Frontseite längsachsenparallel auf die linksseitige Heckpartie des am rechten Straßenrand teils auf der Fahrbahn, teils auf dem Gehweg geparkten Jaguar auffuhr. Der unfallflüchtige Fahrer des Passat wurde nicht ermittelt. Durch ein Schlossgutachten der DEKRA vom 28.07.1998 ist festgestellt, dass der Passat gewaltsam aufgebrochen der Motor aber mit einem passenden Fahrzeugschlüssel unter ordnungsgemäßer Benutzung des Zündschlosses in Gang gesetzt worden war.
Der Kläger hatte den Pkw Jaguar am 25.02.1997 für 19.900,00 DM gekauft. Bereits am 08.08.1997 war der Jaguar - wiederum geparkt - von einem Pkw Passat seitlich angefahren und beschädigt worden. Auch hier war der Passat mittels "Schlossstechen" aufgebrochen und sodann ohne Manipulation an der Zündanlage in Gang gesetzt worden. Den damals auf Gutachtenbasis abgerechneten Schaden von 11.000,00 DM hat der Kläger als in Eigenleistung unter Aufwendung von 4.000,00 DM für Lackierarbeiten durch einen Herrn T vollständig behoben behauptet. Alsdann wollte der Kläger sich im Herbst 1997 unter Vermittlung der Firma B von dem zwischenzeitlich abgemeldeten Jaguar trennen, was ihm jedoch nicht zu einem seinen Vorstellungen entsprechenden Preis gelang. Deshalb veranlasste er am 01.04.1998 die erneute Zulassung des Pkw auf ihn. Nach dem angeblichen Unfall veräußerte der Kläger den Pkw am 23.05.1998 unrepariert für 4.200,00 DM und machte mit anwaltlichem Schreiben vom 25.05.1998 Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten geltend. Er fordert nunmehr auf der Basis eines Sachverständigengutachtens die Differenz zwischen dem Restwert und dem Wiederbeschaffungswert von 17.232,80 DM, ferner Gutachterkosten, Nutzungsausfall, Ummeldekosten und pauschale Aufwandsentschädigung.
Der Kläger hat behauptet, das Schadensereignis stelle einen - seinerseits unfreiwilligen - Unfall dar. Den Beklagten zu 2) habe er zuvor nicht gekannt.
Die Beklagten haben gestützt auf ein vom Erstbeklagten eingeholtes Gutachten der DEKRA vom 29.05.1998 behauptet, der Unfall sei zum Zweck des Versicherungsbetrugs von dem Führer des Passat absichtlich und im Einverständnis des Klägers herbeigeführt worden. Im übrigen haben sie die Höhe des Nutzungsausfallschadens und eine ordnungsgemäße Reparatur des Vorschadens bestritten.
Das Landgericht hat sachverständig beraten die in der Hauptsache auf Zahlung von 16.588,81 DM gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Schaden sei im Auftrag des Klägers herbeigeführt worden. Ihre dahin gebildete Überzeugung hat die Kammer im wesentlichen auf die nach ihrer Ansicht nicht durch Zufall erklärbare Duplizität beider Unfälle in 1997 und 1998 nach dem "Berliner Modell", die Unfallherbeiführung durch ungebremste Bewegung des Passat geradlinig und längsachsenparallel auf den Jaguar und auf die für den Kläger naheliegende Motivation zu dieser Art der Verwertung seines sonst nur schwer veräußerbaren Pkw gestützt.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Er vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen, rügt die Beweiswürdigung des Landgerichts und verweist auf die Einstellung des gegen ihn gerichteten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens.
Der Kläger beantragt,
abändernd die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 16.588,81 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28.07.1999 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und verweisen auf eine Reihe im einzelnen aufgelisteter Umstände, die nach ihrer Auffassung einen zum Zweck des Versicherungsbetrugs gestellten Unfall indizieren.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat den Beklagten zu 1) und den Kläger persönlich gehört.
Die Akten der Staatsanwaltschaft Dortmund 20 Js 871/97, 5 Js 857/98 sowie 82 UJs 16784/97 sind zur Ergänzung des Parteivorbringens Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat keinen Erfolg. Auch der Senat ist davon überzeugt, daß das Schadensereignis vom 20.05.1998 mit dem - die geltend gemachten Ersatzansprüche ausschließenden - Einverständnis des Klägers herbeigeführt worden ist. Hierfür sprechen zu viele Anhaltspunkte, die zwar nicht jeder für sich, jedoch in ihrem durch Zufall nicht mehr erklärbaren Zusammentreffen zu der Schlussfolgerung auf einen absichtlich zum Zweck der Erlangung der Ersatzleistung der Beklagten herbeigeführten Unfall zwingen:
Dies beginnt mit der im wesentlichen, aber auch in Einzelheiten bestehenden Gleichartigkeit des Unfalls, den der Kläger bereits am 08.08.1997 mit demselben Pkw Jaguar erlitten hat. Auch dort wurde ein technisch auf die gleiche Weise gestohlener Pkw Passat von einem flüchtigen und unbekannt gebliebenen Täter gegen den geparkten Pkw des Klägers gelenkt. Den Schaden von etwas mehr als 11.000,00 DM hat er auf Gutachtenbasis abgerechnet und mit einem Kostenaufwand von etwa 7.300,00 DM im wesentlichen selbst behoben bzw. hinsichtlich der Lackier- und Karosseriearbeiten durch einen insoweit gewerberechtlich nicht konzessionierten Bekannten beheben lassen.
Auch den jetzt eingetretenen Schaden rechnet der Kläger auf Gutachtenbasis ab, nachdem er das Fahrzeug bereits drei Tage nach dem Unfall unmittelbar nach Erhalt des Schadensgutachtens vom 22.05.1998 veräußert hat.
Für den Kläger bestand ein stark wirksames Motiv, sich durch einen Totalschaden des annähernd zehn Jahre alten, in der Unterhaltung teuren Pkw Jaguar zu entledigen, nachdem er in der Zeit von Ende September 1997 bis zum 01.04.1998 einen Verkauf zu seinen Preisvorstellungen vergeblich versucht hatte. Während ihm in dieser Zeit ein Verkauf zu einem Preis nur weit unter 10.000,00 DM möglich gewesen wäre, führte die mit der Klage geltende gemachte Schadensabrechnung unter Einschluss der Nutzungsausfallentschädigung und des Restwertes zu einem Erlös von über 19.000,00 DM.
Der technische Ablauf des Unfalls ist in der von dem Sachverständigen ermittelten Weise als unfreiwilliges Ereignis nicht nachvollziehbar. Die W Straße verläuft an der Unfallstelle geradlinig und läßt mit einer Fahrbahnbreite von 7,60 m mehr als ausreichend Platz, an dem nur teilweise auf der Fahrbahn geparkten Pkw des Klägers vorbeizukommen. Gleichwohl wurde der Pkw des Schädigers aus einer Geschwindigkeit von nur ungefähr 35 km/h ohne nennenswerte Bremsung geradlinig, längsachsenparallel und ohne einen Versuch des Ausweichens auf das Heck des selbst bei Dunkelheit kaum zu übersehenden Jaguar zugesteuert. Zwar begegnet die Feststellung des landgerichtlichen Urteils, bei einer Geschwindigkeit des VW Passat von 35 km/h sei ein Verletzungsrisiko ausgeschlossen gewesen, Zweifeln. Es ist auch nicht erkennbar, ob diese Beurteilung der Kammer auf Feststellungen des gehörten Sachverständigen beruht. Indes steht eine Verletzungsgefahr der Überzeugung des Senats von einem manipulierten Unfall nicht entgegen, zumal es zu einer Spuren hinterlassenden Verletzung des Schädigers nicht gekommen ist. Die Fahrweise des Täters, mit immerhin 35 km/h gerade auf den stabilen Längsträger des Jaguar zuzufahren, kann nämlich auch auf der möglichen Unterschätzung des Verletzungsrisikos oder einer momentanen Ungeschicklichkeit beruhen.
Schließlich wird der Kläger durch die Art und Weise des Diebstahls des VW Passat entscheidend belastet. Zwar ist eine persönliche Bekanntschaft zwischen dem Kläger und dem Beklagten vor dem Unfall nicht erweislich, sie braucht für die Annahme eines gestellten Unfalles aber auch nicht bestanden zu haben. Angesichts der Vorgeschichte des Fahrzeugs kann ein Dritter im Besitz eines Original- oder eines nachgemachten Schlüssels gewesen sein. Der Beklagte zu 1) hatte nämlich den VW Passat, der zuvor ein Jahr als Firmenfahrzeug gelaufen war, gebraucht erworben und dabei nicht sämtliche Originalschlüssel erhalten. Dass der Täter, obwohl in Besitz eines passenden Schlüssels für das Zündschloß, mit dem er also auch die Türen problemlos hätte öffnen können, ein gewaltsames Aufbrechen der Türen vermittels "Schlossstechens" vortäuscht, deutet darauf hin, dass er zum Zeitpunkt des Entwendens bereits die Herbeiführung eines Unfalls vorgehabt hat. Wer einen Pkw, sei es zur weiteren Verwertung, sei es auch nur für eine Spritztour entwendet, nimmt von einer mutwilligen Beschädigung, die ihn - zumal sonst ohne erkennbaren Sinn - bei einer Überprüfung des Fahrzeugs allenfalls verdächtig machen könnte, gerade Abstand. Das Vortäuschen eines gewaltsamen Aufbruchs des Fahrzeugs macht in diesem Zusammenhang dagegen Sinn, wenn der Täter so nur von der Spur des Original- oder nachgemachten Schlüssels ablenken will und ohnehin vorhat, das Fahrzeug zum Versicherungsbetrug zu mißbrauchen.
Dass dieser Unfall sich sodann in einer völlig verkehrsarmen Straße nachts um 2.35 Uhr ereignet, wo mit dem schnellen Auftauchen von Zeugen nicht gerechnet zu werden braucht, passt gleichfalls in das Bild des gestellten Unfalls.
Schließlich wirkt die Darstellung des Klägers, wie und warum er seinen Pkw am Vorabend des Schadensereignisses an dem Straßenrand der "W" geparkt hat, konstruiert. Wenn tatsächlich der vom Kläger beschriebene Defekt im Motorkühlsystem vorgelegen hätte, den der Kläger aufgrund des kurz zuvor erfolgten Aufleuchtens der entsprechenden Kontrolleuchte im Armaturenbrett und Nachschau unter der Motorhaube auch festgestellt haben will, hätte es nahegelegen, zu versuchen den Wagen - ggf. nach kurzer Abkühlungspause - noch mit eigener Motorkraft die wenigen Meter aus der Bushaltebucht an den Abstellort in die "W" zu bewegen, oder zumindest die Ursache zu ergründen anstatt auf Helfer zum Schieben zu warten. Das Ansprechen des Zeugen Y dessen Anschrift der Kläger auch nachträglich noch ermitteln konnte, beim Abstellen des Fahrzeugs stellt sich so gesehen eher als gezielte Maßnahme zur Gewinnung von Entlastungszeugen dar.
Ebenso ist nicht lebensnah nachvollziehbar, weshalb sich der Kläger am nächsten Tag sofort mit einem Abschleppunternehmer und Abschleppwagen zu der Parkstelle begab, wenn er von dem Unfallschaden noch nichts wusste. Selbst wenn das Abschleppen durch seinen "Schutzbrief-Versicherer" bezahlt wurde, wäre zu erwarten gewesen, sich erst einmal allein oder mit einem Kfz-Monteur zu dem Fahrzeug zu begeben, um die Ursache des Kühlungsdefektes und die Möglichkeit einer einfachen, zumindest provisorischen Behebung zu prüfen. Immerhin war der Kläger ausreichend fachkundig, um - wie er vor dem Senat bekundet hat einen Zündkerzen- oder Ölfilterwechsel selbst vorzunehmen. Dies passt auch nicht zu seiner späteren Einlassung, er habe an dem Wagen grundsätzlich nichts selbst machen wollen, weil dessen Technik zu kompliziert sei.
Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Das Urteil ist gemäß § 708 Nr. 10 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Ende der Entscheidung
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